Als die Gründerinnen und Gründer von Abendrot 1984 entschieden, auf die Dienste der grossen Schweizer Banken zu verzichten und ihr Vorsorgevermögen eigenständig zu verwalten, verfügten sie noch über keine detaillierte Anlagestrategie. Sie hatten jedoch einen klaren Wertekompass, der ihre Entscheidungen leitete und den Weg wies.
Dieser wurde in den Anlagerichtlinien vom 11. September 1986 wie folgt festgehalten:
- Bei sämtlichen Anlagen des Stiftungsvermögens sind auf die drei Kriterien Gesundheit, Umwelt und Gerechtigkeit zu achten.
- Im Vordergrund stehen die Interessen der Versicherten für eine sichere Altersvorsorge.
- Bei Anlagen haben Projekte der Versicherten und der angeschlossenen Betriebe Priorität. Auf eine angemessene regionale Streuung ist zu achten.
Ausschlusskriterien für mögliche Anlagen spiegeln den damaligen Zeitgeist: Keine Waffen-, Kriegs- und Atomindustrie sowie Betriebe die gegen Menschenrechte, Umwelt- oder Tierschutz verstossen und keine Unternehmen, die Regierungen, staatliche oder halbstaatliche Organisationen faschistischer Länder unterstützen.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus diesen einfachen Grundsätzen die heutige umfassende Anlagestrategie.
1997: Der erste Schritt zur Professionalisierung
Verschärfte gesetzliche Vorgaben ab 1. Juli 1996 hatten verdeutlicht, dass die bisherige Anlagestrategie und -dokumentation nicht mehr ausreichend waren. Zudem geriet die bis dahin vorherrschende Strategie, die stark auf eigene Liegenschaften, Hypotheken und Fremdwährungsobligationen setzte, unter Druck. Sinkende Immobilienpreise, fallende Zinsen und die Aufwertung des Schweizer Frankens machten Aktieninvestitionen zunehmend attraktiver. Als Reaktion darauf wurden 1997 zwei entscheidende Dokumente erarbeitet: das Anlagekonzept 1997 und ein Positionspapier für Investitionen in Aktien.
Um den ethischen Grundsätzen treu zu bleiben, wurde zunächst ein ausführlicher Katalog von Bewertungskriterien entwickelt, der bis heute Gültigkeit hat. So wurde bereits damals festgelegt, dass potenziell investierbare Unternehmen ganzheitlich analysiert werden müssen, wobei die drei Bereiche «Management», «Produkte» und «Produktionsprozess» einzeln geprüft und gleich gewichtet werden.
Weitere wichtige Kriterien umfassten:
- Ethische und soziale Aspekte: Lohn- und Chancengleichheit, Behinderten- und Ausländerfreundlichkeit.
- Ökologische Kriterien: Nachhaltigkeit als erklärtes Ziel eines Unternehmens.
- Ökonomische Anforderungen: Wirtschaftliche Stabilität und Rentabilität des Unternehmens.
Schließlich wurde der Anlageprozess detailliert ausgearbeitet. Dies führte zu einer Zusammenarbeit mit der damaligen Bank Sarasin, deren Oekosar-Fonds bereits seit 1994 aktiv war. Bei einem Vorsorgevermögen von rund 80 Millionen CHF entschloss man sich, die Aktienquote von 3,3 Prozent auf 8 bis 12 Prozent zu erhöhen und die Immobilien- sowie Hypothekenquote auf maximal 60 Prozent zu begrenzen.
2007 bis 2015: Erweiterung des Anlageprozesses
Im Jahr 2007 wurde die Pico Vorsorge AG gegründet, welche die Geschäftsführung von Abendrot übernahm. Im Jahr 2015 wurden zudem je einen Anlageausschuss für Wertschriften sowie Immobilien gegründet. Damit erfolgten wichtige Schritte in der Professionalisierung der Anlagestrategie. Diese Ausschüsse wurden mit externen Expertinnen und Experten ergänzt, was die Unabhängigkeit von der Bank Sarasin erhöhte und den Zugang zu weiteren Partnern und Anbietern ermöglichte. Das Anlagemonitoring wurde optimiert, einschliesslich eines automatischen Re-Balancing-Systems. Zudem wurde ein Einanlegerfonds gegründet. Dies wurde durch das Wachstum des Vorsorgevermögens möglich.
Wichtige Fortschritte waren auch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie, die heute auf der Website detailliert dargestellt wird sowie die Einführung der Wirkungsmatrix, die eine umfassende Bewertung der sozialen und ökologischen Auswirkungen aller Investitionen ermöglicht.
Heutige Anlagestruktur und Erfolge
Die heutige Anlagestruktur spiegelt die Veränderungen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wider. Der Anteil an Immobilien und Hypotheken beträgt nur noch rund 32 Prozent, wobei der Anteil der Hypotheken auf unter 2 Prozent gesenkt wurde. Die Aktienquote (Schweiz und global) ist auf mehr als 32 Prozent angestiegen. Investitionen in Projekte von Versicherten und angeschlossenen Betrieben erfolgen nun nur noch in bescheidenem Umfang, primär über Hypotheken. Besonders bemerkenswert ist das Wachstum des Vorsorgevermögens, das im Jahr 2024 die Drei-Milliarden-Marke überschritten hat – eine Verdreissigfachung innerhalb von rund 30 Jahren.
Trotz Wachstum und der beschriebenen Neuerungen und Veränderungen dürfen unsere Gründerinnen und Gründer mit Zufriedenheit feststellen, dass ihr ursprünglicher Wertekompass auch heute noch das stolze Schiff «Abendrot» sicher auf Kurs hält.
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