Ein Leben zwischen Geschichte und Zukunft

Beim Gang durch die Zürcher Altstadt

Dass Felix Wyss seine Arbeit als Projektleiter von baugeschichtlichen Untersuchungen und kleinen Ausgrabungen mit Leidenschaft erfüllt, wird unmittelbar spürbar. Schon auf dem Weg durch die Strassen der Zürcher Altstadt, die er wie seine Westentasche kennt, erzählt er zu jedem Haus und jeder Fassade eine Geschichte. Seit fast vier Jahrzehnten prägt er die Bauforschung in Zürich – mit einem Gespür für Details, das weit über die fachliche Expertise hinausgeht.

Doch nicht nur in seiner beruflichen Tätigkeit zeigt sich seine Beständigkeit. Seit dem 1. April 1986 ist Felix Wyss bei der Pensionskasse der Stiftung Abendrot versichert und damit ihr am längsten versichertes Mitglied. «Der Entscheid für Abendrot war damals eine bewusste Wahl», erinnert sich Wyss. Die Firmengründer des Archäologie- und Architekturbüros Berti, Kohler & Wyss (ABKW) hatten 1986 eine Alternative zu den grossen Versicherungsanbietern gesucht und wurden durch ihren Notar, der ebenfalls nachhaltige Werte vertrat, auf Abendrot aufmerksam gemacht. Der Fokus auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit überzeugte alle – auch Wyss, der ein Jahr später vom Angestellten zum Mitinhaber wurde. Auch heute, fast 40 Jahre später, ist er von dieser Entscheidung überzeugt: «Es hat immer gepasst, wir hatten nie einen Grund, etwas Anderes zu suchen.»

 

Architektur als Zeitzeugnis

Wyss’ berufliches Schaffen ist geprägt von der spannenden Verbindung zwischen Archäologie und zeitgenössischer Baukultur. Zu Beginn seiner Laufbahn führten ihn Projekte auch ins Ausland. In Jordanien arbeitete er an der Dokumentation einer frühchristlichen Kirche. Doch bald wurde Zürich zum Schwerpunkt seines Wirkens. Hier widmet er sich der Bauforschung, insbesondere der Analyse und Dokumentation historischer Gebäude in der Zürcher Altstadt – meist im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit der Stadtarchäologie Zürich und der städtischen Denkmalpflege.

 

«Die Vergangenheit in die Zukunft tragen – und den Pulsschlag der Geschichte spürbar machen.»

              Felix Wyss

 

Ein gutes Beispiel ist der Erweiterungsbau der Zentralbibliothek in den 1990er-Jahren. Während der Bauarbeiten kamen Überresten der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert zum Vorschein. Wyss begleitete die Arbeiten, dokumentierte die Funde und trug massgeblich dazu bei, die Mauerreste an ihrem ursprünglichen Standort zu sichern. Dank seines Engagements ist dieses beeindruckende Zeugnis der mittelalterlichen Stadtbefestigung heute durch ein «archäologisches Fenster» für die Öffentlichkeit sichtbar.

Besonders faszinierend sei, so Wyss, dass seine Arbeit oft in belebten, genutzten Gebäuden stattfindet. «Es geht nicht um Ruinen, sondern um lebendige Orte mit Geschichten, die es zu bewahren gilt.» Ein gutes Beispiel dafür war die Sanierung des Amtshauses des Klosters Wettingen in Zürich. Um das denkmalgeschützte Gebäude barrierefrei zu gestalten, sollte ursprünglich ein Biedermeier-Treppenhaus von 1840 einem Lifteinbau weichen. Durch Gespräche mit den Mietenden entdeckte Wyss eine alternative Zugangsmöglichkeit von der Grossmünster-Terrasse her, die bereits für die Erschliessung der oberen Stockwerke genutzt wurde. Dadurch wurde der Bau eines Lifts überflüssig und das historische Treppenhaus blieb erhalten.

«Es braucht oft Überzeugungsarbeit», sagt Wyss. Bauherinnen und Bauherren, Bewohner und Bewohnerinnen sowie Handwerkerinnen und Handwerker müssen gleichermassen einbezogen werden. Doch das Ergebnis sei die Mühe wert: «Ein Haus, das seinen Charakter bewahrt, hat eine besondere Atmosphäre. Es bereitet Freude, wenn die Vergangenheit spürbar bleibt.»

Dieses Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch Wyss’ Karriere. «Jedes Gebäude ist anders, jedes Projekt eine neue Herausforderung», beschreibt er die Vielfalt seiner Arbeit. Die Zusammenarbeit mit Architektinnen und Architekten, Handwerksleuten und Denkmalpflegenden habe ihm ein Netzwerk ermöglicht, das weit über den Berufsalltag hinausgeht. Besonders in den letzten 15 Jahren, in denen er sich auf die Zürcher Altstadt spezialisiert hat, hat er eine Expertise aufgebaut, die geschätzt wird. «Manchmal habe ich mich vielleicht etwas weit aus dem Fenster gelehnt», schmunzelt er. Doch seine Ansätze seien häufig aufgegangen und das Gefühl, ein gutes Ergebnis erzielt zu haben, treibt ihn bis heute an.

Sein Verständnis für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung begleitet ihn seit jeher. Bereits in den 1980er-Jahren engagierte er sich für den Erhalt von Gebäuden. «Damals wurde ich oft belächelt, aber heute wissen wir, wie wichtig das Thema ist.» Der Heimatschutz hat berechnet, dass der jährliche Bauschutt aus abgerissenen Gebäuden in der Schweiz einen Güterzug von Zürich bis Kapstadt füllen könnte – eine Vorstellung, die Wyss erschüttert. «Erhalten statt vergeuden» ist seine Devise.

 

Pension? Noch nicht ganz

Dieses Jahr steht Felix Wyss nun vor der Pensionierung – zumindest offiziell. Ganz aufhören wird er aber nicht. In der Firma seiner Nachfolgerin bleibt er weiterhin zu 40 Prozent angestellt. «So kann ich Projekte abschliessen, mich weiterhin um einige besondere Objekte kümmern und den Übergang begleiten.»

Darüber hinaus freut er sich über mehr Zeit für private Interessen. Kulturelle Veranstaltungen, Reisen sowie die Betreuung seiner Mutter stehen auf dem Plan. Auch bleibt er in berufsbezogenen Verbänden aktiv. «Mit Herzblut dabei zu sein, das wird nie aufhören», betont er.

Auf die Frage, was berufliche Vorsorge für ihn bedeutet, antwortet Wyss lachend: «Da habe ich mir viel zu wenig Gedanken gemacht.» Rückblickend hätte er sich früher intensiver damit befassen sollen, meint er. Doch die Vorstellung, sich frühzeitig mit dem Ruhestand auseinanderzusetzen, war ihm immer suspekt – zu weit weg, zu theoretisch. «Ich hätte vielleicht doch mal einen Pensionierungskurs besuchen sollen», sagt er augenzwinkernd. Lieber hat er einfach weitergearbeitet – so, wie er es auch jetzt noch tun wird, nur eben mit etwas mehr Freiraum.

Beim Gang durch die Zürcher Altstadt

Zu jedem Haus und jeder Fassade weiss Felix Wyss eine Geschichte zu erzählen.

Historische Details: Auch die Büroräumlichkeiten liegen in der Zürcher Altstadt

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